über Wasser, Wolken, Stahl und mehr. . .

Das Messbuch

1. Vorschau


2. Der Entwurf

Wie das Leben mir, als einem ehemaligen Konviktoristen so spielt, werde ich nun mal etwas ernsthaftes zu Leder bringen. Meinem Physiotherapeuten gefielen meine Lederarbeiten recht gut und so kam es wie es kommen musste... Als Mitglied des Kirchenrates (Pfarrgemeinderat) sprach er mich an, das Messbuch sei nun in die Jahre gekommen und bedürfe einer "gewissen Aufarbeitung", ob man da nicht einen Ledereinband machen könne.

Natürlich kann ich und will ich auch. Nach dem ersten Aufmaß in der Sakristei

erstellte ich wie immer einen ersten, groben Entwurf, aussen:

Und innen:

Der Einband wird auch ganz schön groß, aber ich werde alles unternehmen, dass die Gemeinde ihr Weihnachtsfest mit einem neu eingebundenen Messbuch feiern kann.

Im Laufe der Zeit änderte sich die Qualität des Siegels, ein flexiblerer Rücken durch eine Erweiterung auf zukünftige Maße und vor allem die Farbgestaltung..., auch dies aussen:

Und Innen:


3. Das Kirchensiegel

Alleine das Kirchensiegel war ein wahre Herausforderung. Möglichst original sollte es im Leder erscheinen, doch es gab keine Vorlage des dekorativen und einzigartigen Siegels.

Wir versuchten einen sauberen Stempel mit diesem Siegel zu machen, aber das versagte völlig, (die Gründe sieht man weiter unten); "verwaschen", undeutlich und leider "so gar nicht zu gebrauchen" seien die aktuellen Stempel-Ergebnisse, teilte man mir mit." Und so musste ich auf ein Stammbuch der Mutter meiner Herzdame zurückgreifen. Hierin gab es das Kirchensiegel immerhin viermal, entstanden in den 60er Jahren... Diese scannte ich in maximal möglicher Auflösung ein...

Nein, sie waren auch nicht wirklich deutlich und daher habe ich sie freigestellt, zusammengeführt, ausgerichtet und möglichst originalgetreu bearbeitet. Hier in schwarz die Überlagerung aller vier Stempel und die dann daraus resultierende vorläufige Bearbeitung in blau:

Nicht wirklich zufriedenstellend, gerade die Beine, Faltenwurf des Gewandes und vor allem das Gesicht konnten so nicht bleiben. Das Gesicht wurde nachbearbeitet, eher ins abstrakte gehend, jedoch ohne diesen merkwürdigen Ausdruck, wogegen sich die Schrift, der Heiligenschein und die Umrandung noch recht gut rekonstruieren liessen. Aber, es hat mit "Original" wenig zu tun. Eine echte Rekonstruktion stelle ich mir anders vor.

Erneut sprach ich vor, bat darum, das Siegel makro fotografieren zu dürfen. Ich hoffte, man müsste dann die ursprüngliche Gravur klarer erkennen zu können. Ein Termin wurde vereinbart, aber es stellte sich leider heraus, dass das gewählte Material, (wahrscheinlich eine Messing-Legierung mit hohem Kupfer-Anteil), in den 50er Jahren wohl leicht graviert werden konnte, aber für einen so langjährigen Einsatz vielleicht einfach zu minderwertig war. Es war allerdings auch durch die Stempelfarbe von rund 70 Jahren völlig verkrustet, eigentlich ist ein Metallsiegel ja für Siegellack und Siegelwachs gemacht, das hält dann das Siegel schön sauber. Es scheint zudem durch den jahrelangen Einsatz offensichtlich mechanisch gestaucht. Weder die Faltenwürfe im unteren Siegelteil...

und schon gar nicht die genauen Gesichtszüge ließen sich in diesem Zustand daraus wirklich rekonstruieren...

Auch das vorhandene "kleine Siegel" brachte noch nicht die ersehnte "Klarstellung"...

Ohne diesen Siegeln mit "scharfen" Mittelchen zu Leibe zu rücken, würde man die Verschmutzungen kaum Entfernen können. Solche Maßnahmen bergen auch ein recht hohes Risiko und es ist nicht sicher, ob die Stauchung des Materials dann überhaupt ein wirklich besseres Ergebnis erbringen. Das kam daher für mich nicht in Frage.

Zum Glück erschien dann  Pastor Alexander Kurp und tauchte für mich, seinem engen Terminkalender zum Trotz, tief ins Kirchenarchiv hinab, ein Abdruck des großen Siegels aus 1983 machte schon Mut...

und es ging weiter zurück, zu Zeiten, als das Siegel noch frisch und unverbraucht war. Ja! Diese Abdrücke aus 1956 brachten dann den Durchbruch, damit kann ich nun weiterarbeiten und das Kirchensiegel wirklich rekonstruieren. Die Beine und der Faltenwurf sind gut und sauber zu erkennen...

und endlich sieht man klar die ursprünglichen Gesichtszüge, (so schlecht war die erste Überarbeitung eigentlich ja gar nicht).

Alle fraglichen Details kann ich nun zumindestens erkennen und manuell nach Vorlage nacharbeiten. Und es hat sich gelohnt, Die rechte Hand, die Beinkleider, die Faltenwürfe, der Saum der Soutane, aber auch das Gesicht sind jetzt weitaus exakter und ausdruckstärker geworden, man vergleiche die ursprüngliche Ausgangsbasis und das fertige Ergebnis:


4. Die Fertigung

Nächste Schritte sind nun der Zuschnitt und die 3D-Prägung.

Frisch aus der Presse. Es sind schlechte Fotos, das Leder noch nass, daher mit Blitzlicht nicht machbar. Ohne Blitz, nur mit der funzeligen Energiesparlampe in der Küche, dafür eben mit einer gewissen, körnigen Unschärfe, lässt es sich aber schon erahnen. Die Schrift gefällt mir gut,...

Gut zu erkennen die Hautfalten in diesem Leder. (Hals)

das Kreuz ist zwar auf der Rückseite besser, als auf der Vorderseite, es folgen aber noch einige Bearbeitungsschritte. Wie geplant ist das Leder auf der Vorderseite 10mm erhaben. Vergoldet wird das sicher toll aussehen.

Das Siegel ist sehr schön geworden.

Nach dem Trocknen, erst die Kontrolle. Ja, das Kreuz wirft einen schönen Schatten und kommt somit weit genug aus dem Leder hervor. Das wird ja auch noch weiter bearbeitet und zum Schluß vergoldet.

Damit das auf Dauer auch  so bleibt, und es nicht im Laufe der Jahre, (ich hoffe ja, der Einband überlebt mich), wieder zurückgedrückt wird, muss der Hohlraum stabilisiert werden, dafür wird das Leder erst mit Gummilösung "grundiert",...

und dann mit einer Mischung aus Kork und Leder und Gummilösung verfüllt.

(Die gezeigten Produkte sind "premium", also etwas teurer, aber fertig gemischt, in der perfekten Konsistenz und aufeinander professionell abgestimmt. Dieser Filler erlaubt auch noch eine weitere dreidimensionale Bearbeitung und lässt sich nach dem Aushärten auch noch schön formen. Man kann natürlich auch andere Produkte verwenden, aber ich persönlich gucke einfach, womit Profis gerne arbeiten, das erspart mir oft Fehlschläge und ewiges Experimentieren, gerade wenn man sich auf Neuland begibt. Einen "Werbevertrag" habe ich nicht, ich zeige halt lediglich womit ich gute Erfahrungen mache oder gemacht habe, wie auch bei meinem Lieblingskleber Kövulfix.)

Aber jetzt wird erst mal die Innenseite geschliffen,

Die Falz grob eingeschliffen, bevor sie  ausgearbeitet wird,

und dann das Leder erstmalig in Form gebracht,

sowie die Kreuzmedaille fertig punziert.

Jetzt folgt die Färbung..., meine selbst gesetzte Ziellinie habe ich jedoch nicht erreicht. Die wichtige Booster-Impfung hat mich tatsächlich für 2,5 Tage zurückgeworfen. Aber "Nur net hudele!", qualitativ habe ich exakte Vorstellungen und so habe ich dann am 24./25./26.12. alles gegeben und ausschließlich am Messbuch gearbeitet. Sogar das Kochen musste hintenan stehen. (An dieser Stelle nochmal ein herzliches Dankeschön an Beate für Ihre engelsgleiche Geduld, sie hat mich ja dadurch an den Feiertagen immer erst Abends zu Gesicht bekommen.)

Ok, blau wie der Originaleinband sollte es werden. Also kein reines Blau, es wurde eine Mischung aus Blau, Grün und Rot bis der richtige Farbton getroffen war. Für die diversen Schritte musste ich diesen Farbton sechsmal anmischen. Zuerst aber die großen Flächen, die dann wieder geschliffen wurden, damit auch die Feinheiten gut sichtbar wurden:

Die Schrift passt sehr gut und die natürliche Lederstruktur blieb sehr schön erhalten,

das Siegel, so schön es auch ist, wird aber wohl eher selten zu sehen sein.

Wie auch das Dampfpaddlerlogo auf der Innenseite. Ist das Messbuch erstmal im Einband, sieht man es nicht mehr, aber man kann dennoch immer feststellen, wer den Einband mal gemacht hat.

Die Kanten gerundet, die Naht vorbereitet. Hier verzichtete ich nochmal auf die Nähmaschine und führte das als versenkte Sattlernaht aus. So wird das schwere, schwarze Velourleder, welches ja das schwere Buch zuverlässig für die nächsten Jahrzehnte halten muss, dem Gewicht sicher standhalten.

Die Vergoldung ist auch sehr schön gelungen

und setzt einen tollen Akzent.

... nun ist es fertig, das Gold und die Kanten nochmal poliert, die Buchecken gesetzt, anschließend die finalen Fotos gemacht, dann kann ich es der Gemeinde übergeben:

Der hohe Buchrücken sollte sowohl dem Messbuch II., dem Messbuch I., als auch dem kommenden, neuen und zusammengefassten Messbuch ausreichend Platz bieten.

Es gefällt mir auch selbst ganz gut.

Ein riesiger Einband.


5 Die "Einkleidung"

Jetzt sollte die Gemeinde nicht länger warten müssen und es wurde nochmal spannend. Hatte ich die Maße alle richtig abgenommen und so umgesetzt, dass das Messbuch passte und auch geschlossen, wie geöffnet ordentlich lag?

Es ging also in die Sakristei, der transparente Schutzumschlag wurde entfernt und das Messbuch in den Einband eingelegt. Zum Abschluss ging es dann in die noch festlich geschmückte Kirche, die Krippe,...

der Hochaltar

Auf dem Zelebrationsaltar hat das Messbuch seine Präsenz.

Die Sorgen waren völlig unbegründet, der Einband "sitzt" perfekt,

auch geöffnet macht er "seine Sache" wirklich gut.

Natürlich bleibt das Messbuch auch aufrecht stehen.

Unter seinem Patrozinium wird hier die Messe gelesen.

Am 08.22.2022  gab es dann auch eine würdigende Resonanz auf der Titelseite des amtlichen Pellenz Blattes, nebst Artikel im Innenteil, der dann am 11.02. 2022 auch in der Blick aktuell von Andernach und kurz darauf in der Rhein-Zeitung Andernach-Mayen jeweils fast gleichlautend abgedruckt wurde. Sogar diese homepage wurde in allen Publikationen genannt und ich zum "heimischen Künstler" erhoben.

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